Tanzen
Immer wenn sie tanzt, dann hat sie das Gefühl, sie schwebe...
Es ist laut, ja fast schon zerstörend, wie die tiefen Bässe und schrillen Frequenzen auf ihr Trommelfell aufschlagen. Die Musik, die gerade aufgelegt wurde kribbelt durch ihren ganzen Körper, und würden ihre Zehen nicht so wehtun von den viel zu hohen und viel zu engen Absatzschuhen, dann würde sie den Beat auch dort vibrieren spüren.
Ein Typ rempelt sie von hinten leicht an und sie dreht sich um. Er schenkt ihr ein entschuldigendes, sanftes, freundliches Lächeln, ein wirklich wunderschönes, und tanzt dann auch wieder mit dem Rücken zu ihr weiter. Ein Laie würde sagen, er tanze toll, aber sie denkt sich, dass er fabelhaft tanzt! Er geht locker in die Knie, bewegt seinen Hintern, der scheinbar nur von dieser engen, sexy Jeans bedeckt ist, in leichten rhythmischen Kreisen zur Musik und wirkt einfach nur leicht.
So einen Tanzpartner hätte sie gerne!
Ist aber auch ein echter Glücksfang in solch einem runtergekommenen Schuppen wie diesem. Sie kommt eigentlich nur her, weil es für Frauen umsonst ist und der Preis für ein Bier stimmt auch. Ein Pussy-Bier natürlich, Limo und Bier. Etwas anderes würde ihr Magen gar nicht zulassen.
Also trinkt sie dieses und wartet seit guten drei Stunden auf das Einsetzen des ersten Schwindels.
Aber er bleibt aus.
Sie tanzt weiter alleine. Eigentlich tut sie so etwas nicht, alleine feiern gehen. Aber niemand hatte sich Zeit nehmen wollen für sie, außerdem war das eine gute Gelegenheit, mal wieder das Frischfleisch zu spielen. Oh ja, sie spielte gerne das Frischfleisch, die Zuhabende, die leichte Beute. Wenn ein Typ sie antanzt und sie umgarnt, dann steigt ihr Ego. Und wenn er sie anfasst, seine schwitzenden Hände und Finger an ihrem schwarzen, enganliegenden Kleid hoch und runter gleiten lässt, dann puscht das natürlich noch mehr.
Doch der absolute Kick, das Highlight, das Non-Plus-Ultra ist es, wenn er sich Hoffnung macht, kleine feuchte Lichtblitze in den Augen, die sie dann austrocknen lassen kann.
Oh ja, sie liebt es, die Männer erst alle heiß zu machen, ihnen das Leckerli schon vor die Nase zu halten und dann einfach zu gehen. Raus. Weg.
Warum das so ist, weiß sie selbst nicht genau, also warum sie so darauf steht, Männern wehzutun. Vielleicht ist es auch gar nicht das Geschlecht, viel mehr war es die Tatsache, dass sie begehrt wird und dennoch immer das Zepter in der Hand hat.
Das wird es wohl sein, denkt sie sich und tanzt weiter aufreizend in der vollen Menge. Aus dem Augenwinkeln kann sie einen Typen sehen, nicht ganz ihr Geschmack aber durchaus ansehbar, wie er in ihre Richtung steuert, immer noch mit gewollten Abstand, dennoch näher kommend. Ihre Blicke treffen sich. Nun schwingt er sich ungeschickt an ihre Seite, schaut sie prüfend von oben bis unten ab und entscheidet sich dann wohl für ein Okay.
Er steht vor ihr, seine Arme etwas über ihren Schultern schwebend und tanzt sie von vorne an. Er scheint ein wenig steif zu sein, seine Bewegungen wirken verkrampft und auch sonst ist da nichts von leicht, was sie bei dem Anrempler entdecken konnte. Doch was soll's, der Typ sieht in ihr das Häppchen für die Nacht und sogleich geht in ihr das Gefühl von Trumpf auf, klettert Wirbel für Wirbel an ihrem Rücken empor. Oh, jetzt setzt auch endlich das Bier ein.
Sie tanzen ein bisschen. Noch sehr zögerlich, scheinbar scheint er sich nicht so sicher, wie weit er schon gehen darf. Also macht sie dann wohl den Anfang: mit einem gekonnten Hüftschwung schiebt sie ihre Hüfte im Takt gegen seine, lässt sie kreisen und schaut von unten nach oben. Einen winzigen, kaum sichtbaren Spalt öffnet sie ihre Lippen und lässt ihre Zunge über diese gleiten. Noch einmal zaghaft in die Unterlippe beißen, der Köder wird geschluckt.
Er tanzt heftig gegen sie und umgreift dabei gierig ihre Hüften mit einem wirklich festen Griff, seine großen Wurstfinger gehen in dem Stoff ihres Kleides unter.
Wow, nun wird er ja „noch schwerer“, denkt sie sich und sie konnte seine halbe Erektion an ihrem Hüftknochen fühlen. Es ist einfach widerlich, aber Adrenalin pumpt sich durch ihre Adern, so wie Blut durch seinen Schwanz. Sie fühlt den Reiz des Verbotenen, und die Vorfreude, wenn sie ihn einfach stehen lassen würde.
Und sie schwebt ein bisschen...
Sie bekommt eine Gänsehaut des Ekels, als sie seine Finger in ihrem Nacken spürt, wie sie versucht zärtlich in ihrem offenen Haar wühlen. Darauf steht sie überhaupt nicht! Niemand darf ihren Nacken anfassen! NIEMAND! Das findet sie einfach... Widerlich!
Sie wischt seine Hand weg, doch für ihn scheint das nur eine Art Einladung zu sein, mehr zu fordern. Schnaufend vergräbt er sein Gesicht auf ihrer Schulter, kratzt mit seinem Bartansatz an ihrem Hals. Sie kann seinen erhitzten Atem fühlen und wie sich seine andere Hand tiefer und fester in ihre Seite krallt.
Gut, es reicht! Sie schubst sich mit beiden Händen von seiner Brust weg, taumelt einen Schritt nach hinten und funkelt ihn böse an. Für ihn scheint alles unklar, wie ein Goofy starrt er in ihr Gesicht und versteht wohl die Welt nicht mehr.
Ja, sie ist gerne Frischfleisch, aber sie ist doch kein Opfer!
Das schweben lässt nach. Leere gemischt mit ein bisschen Wut und Bier breitet sich in ihrer Magengegend aus.
Sie geht lasziv wieder einen Schritt auf ihn zu und reckt sich zu ihm hoch.
„Nicht den Nacken“, flüstert sie in sein Ohr, ganz dicht und sie sieht, wie seine Nackenhaare sich aufstellen.
Wie ein notgeiles Schosshündchen nickt er schnell, fast schon zu schnell um die Sache noch ernst nehmen zu können und grinst ein bisschen schief.
Scheint wohl auch nicht der Hellste. Aber wenn Dumme weniger denken, dann müssen sie ja mehr fühlen, oder?
Sie schenkt ihm ein Lächeln zurück und tanzt langsam wieder auf ihn zu.
Man muss wohl nur mal eine klare Ansage machen, wird sie sich merken für den Nächsten. Tatsächlich hat er ihren Nacken nicht einmal wieder angefasst.
Es sind sicher schon weitere drei Stunden vergangen, seit sie tanzen, und irgendwas zwischen seinem Ständer und Sabbern sagt ihr „Jetzt!“.
Sie beginnt wieder zu schweben.
Provokant lässt sie ihren Hintern noch ein, zwei Runden gegen seinen Schritt kreisen, dann hört sie plötzlich auf, entfernt sich vier Meter von ihm, nur um dann noch einmal auffordernd über ihre Schultern in seine verwirrten Augen zu schauen.
Und wie verwirrt der ist ! Das Schweben breitet sich aus, und als wäre das der Auftakt, marschiert sie weiter, immer daran bedacht, nicht zu schnell zu gehen, den Arsch schön wackeln lassen.
Weiter in Richtung Ausgang. In der Tür dreht sie sich noch einmal vorsichtig um, doch der Typ ist ihr nicht gefolgt.
Er ist weg! Wie kann der nur?! Und mit einem lauten Rums stürzt ihr Ego in den Keller...
Selbstverständlich hätte sie ihn niemals mit nach Hause genommen oder gar die Nacht mit ihm verbracht, aber er hat ihren Plan total kaputt gemacht:
reingehen, anmachen, rausgehen, schnell in eine Ecke verstecken und von dort aus zusehen, wie er sie sucht und letztendlich alleine mit seiner Erregung ab düsen musste.
Und der hat doch echt alles. völlig. zerstört!
Sie schnaubt wütend. Na und?!? Dann eben nicht! Jetzt ist sie es, die frustriert nach Hause stampfen muss...
Sie schnappt sich ihre Jacke und geht durch die lauten Straßen vor der Disko. Zum Glück ist der Weg zu ihrer Wohnung nicht weit, nur sehr einsam.
Das Nicht-Schweben liegt immer noch hart und schwer in ihrem Magen und sie ist wütend. Wütend, frustriert, enttäuscht von sich selbst. Bringt sie's etwa nicht mehr...?
Ausgeschlossen! Oder doch...nicht?
Was, wenn sie nun keiner mehr wollte? Wenn sie nie wieder in den Genuss des Schwebens kommen sollte? Was, wenn-
Doch weiter kommt sie mit ihren Überlegungen nicht. Sie merkt einen stumpfen Schmerz an ihrem Hinterkopf und als nächstes das kalte Pflaster des Weges auf ihrer Wange.
Ist sie gefallen?
Schritte hinter ihr, ganz leichte, und ihr Atem hängt schwer in der Luft. Ein pochendes Dröhnen steigt in ihrem Kopf empor, kratzt sich an ihren Schläfen entlang.
Sie wird umgedreht, ganz sanft und sieht das Blitzen einer Klinge.
Sie muss daran denken, wie sie Vorgestern den Fisch ausgenommen hat, wie das Messer sich langsam, ganz langsam zwischen die Kiemen des Tieres schob und sie mit ein bisschen Druck den Widerstand überwinden konnte.
Es ist ein ganz ähnliches Gefühl an ihrer Kehle.
Sie merkt es eigentlich kaum und doch bleibt ihr die Luft weg.
Sie beginnt zu schweben.
Das Letzte, das sie sieht, ist ein freundliches sanftes Lächeln, dann eine hautenge Jeans über einen knackigen Hintern und ein schwebender Gang, leicht, schwerelos.
Ihr schwebender Gang nach einem Sieg.
Sie schwebt.
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Ich mag mal wieder gerne Tanzen gehen (.__.)
Das haben das Minchen und ich schon so endlos lange nicht mehr gemacht~
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